Kolumne
ONsüd-Bilder: Kathrin Osthues |
Überall blüht es jetzt üppig. Der Mai ist der Monat, in dem die Singzeit der Vögel am lautesten und ausdrucksstärksten ist. Schon ganz früh morgens wird man, wenn man das Glück hat, an einem Park oder großen Garten zu wohnen, von ihrem schier überbordenden Gesang geweckt. Oft gehe ich an diesen Morgen früh in mein Gartenhäuschen, um dort meinen ersten Tee zu trinken, meinen Garten im Morgendunst zu betrachten und zu schreiben. Wer sich die Mühe gemacht hat, im Winter mal zu lernen, verschiedene Vogelstimmen zu unterscheiden, wird jetzt für seine Mühe belohnt.
Ich höre Grünfinken, Meisen, Zilpzalpe, Amseln und Rotkehlchen sowie Hausrotschwänzchen heraus und manchmal auch den stilleren, melancholischen Dompfaff.
Wenn man sich danach Brötchen vom Bäcker holt, fliegen einem in den Straßenschluchten schon die ersten Mauersegler mit freudigem Gekreische entgegen.
Früher habe ich sie oft mit tieffliegenden Schwalben verwechselt und dachte immer, „die zeigen jetzt für den späteren Tag Regen an.“ Später habe ich dann herausgefunden, es sind Mauersegler und keine Schwalben. Mauersegler sind größer als Schwalben, aber trotzdem bleiben sie ihnen zum Verwechseln ähnlich.
Es sind eilige Gesellen, sie schlafen und essen sogar im Flug.
Manches Jahr kann man bei seinem Spaziergang früh morgens zum Bäcker auch auf kältestarre Maikäfer auf den Bürgersteigen treffen. Großvater sagte immer:“ Ist der Mai recht kalt und nass, haben die Maikäfer wenig Spaß.“ Für die Bauern war so ein Maikäferjahr ein gutes Jahr. Insofern war der Maikäfer ein Anzeiger für eine reiche Ernte. Er schwärmt nur 14 Tage von Mitte bis Ende Mai.
Ganz früher gab es gefürchtete Maikäferjahre, die ungefähr alle vier Jahre auftraten. (Die Entwicklungszeit der Larven dauert eben diese vier Jahre). Die Tierchen fraßen unter Umständen dann über Nacht eine große Eiche ratzeputz kahl. Lieblingsspeisen dieser Tierchen waren Eichen -und Pflaumenblätter, Kirsch -und Buchenblätter, Blätter von Apfel und Birne.
Nimmt man solch einen hübschen Käfer, er ist ungefähr 3 cm groß, in die Hand, erwärmt er sich schneller, und wird wieder munter. Seine Füßchen, fand ich, sind rau und kratzig und klammerten sich auf meiner Hand gut fest. Ich setzte ihn ins Gebüsch. Da war er sicherer vor unbedachten Füßen von eiligeren Zeitgenossen, die ihn zertreten konnten.
Es ist schade, dass man ihn nur noch so selten findet und viele Menschen ihn bestimmt noch nie gesehen haben.
Gegen Ende des Monats läuten die ersten blühenden Gräser wie der Wiesenfuchsschwanz und vor allen Dingen die Blüte des schwarzen Holunders den Frühsommer ein. Sie ist die Zeigerblüte, dass der Sommer beginnt.
Holunder stand früher auf jedem Gehöft eines Bauern. Er war eine heilige Pflanze. Man nannte ihn auch Holder oder Holler. Er war, wie der Name sagt, der Göttin Holda, einer Muttergöttin in der germanischen Mythologie, (der späteren Frau Holle im Märchen) gewidmet. Ihr Name bedeutet „die Strahlende“. Aber auch Freya, die germanische Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, sollte im Holler wohnen. Im Zuge der späteren Christianisierung wurde die Göttin Holda durch den Nikolaus ersetzt und ihr Fruchtbarkeitszweig vom Holunderstrauch, den sie in der Hand hielt, durch die strafende Rute des Nikolaus. Der Holunderstrauch durfte nie gefällt oder beschädigt werden, sonst drohte Krankheit oder Tod. In alten britischen Höhlengräbern wurde er bei Bestattungsriten verwendet und wegen seiner weißen Blüten war er wohl auch anderen Erdmutter-Gottheiten gewidmet.
Haben Sie, liebe Leser*innen, einen schönen, sonnigen Mai!
Quelle: Abendrot Schönwetterbot‘.
von Berhard Michels blv Verlag. 2004