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Literarisches


Die Violinistin



von Dirk Hoffmann

Kleine, weiße Flocken rieselten vom Himmel. Kälte durchdrang den Mantel des Mannes, der auf der Parkbank saß. Er lauschte dem leisen Pfeifen des Windes. Da war noch mehr zu hören. Eine traurige Melodie lag in der Luft. Eine Violine - vermutete Ben. Wer mochte dort spielen? Warum klang es so sehnsuchtsvoll? Ben wollte unbedingt herausfinden, wessen Instrument er vernahm. Angestrengt versuchte er zu ermitteln, aus welcher Richtung die Melodie kam. Als er glaubte es zu wissen, stand er auf und folgte dem Klang dem wehmütigen Klang. Tatsächlich wurde die Musik lauter. Ben überquerte zwei Wege, lief an einigen Bäumen vorbei und gewahrte schließlich eine junge Frau in einem weißen Kleid, das für die kalte Jahreszeit viel zu dünn schien. Genau wie er bereits vermutet hatte, spielte sie auf einer Violine. Ihre blauen Augen wirkten leer.
„Warum so eine traurige Melodie?“, fragte Ben und schritt auf die Violinistin zu.
Die jung Frau erschrak und hörte auf zu spielen.
„Keine Angst, ich tue Ihnen nichts. Mir ist nur Ihre Musik aufgefallen. Ich glaube, sie hat etwas in mir berührt. Ich musste einfach erfahren, wer da spielt“.
„Ich weiß nicht, es ist so über mich gekommen“, erwiderte die junge Frau und senkte den Kopf.
Ben wusste nichts weiter zu sagen. Statt dessen zog er seinen Mantel aus und hielt ihn ihr hin. Die Violinistin wich zurück.
„Ist es in dem dünnen Sommerkleid nicht viel zu kalt? Ziehen sie den Mantel über. Sie werden krank“.
Was tue ich hier eigentlich?, fragte sich Ben. Die Frau tat im leid. Darüber hinaus hatte sie etwas an sich, das ihn festhielt. Er konnte es sich nicht erklären. Sie machte keine Anstalten, den Mantel anzunehmen.
„Es geht schon, danke“, antwortete sie.
„Ich heiße Ben. Darf ich sie nach Ihrem Namen fragen?“
„Ich bin Louisa“, erwiderte die Violinistin und begann erneut zu spielen. Womöglich gab ihr das Sicherheit. Es war dieselbe schwermütige Melodie, welche Ben herangelockt hatte. Einige Minuten hörte er ihr still zu. Als er sich zum Gehen wandte, stoppte die Musik.
„Ben“, flüsterte die Violinistin hinter ihm, „bitte bleiben Sie hier. Es ist so einsam im Park.
Ben überlegte, wie er sich nun verhalten sollte. Plötzlich spürte auch er Einsamkeit in sich aufkommen. Irgendetwas geschah mit ihm. Er drehte sich um und stellte fest, das Louise näher gekommen war. Gehen konnte er nicht mehr.
„Hallo, Louisa“, etwas Besseres fiel ihm gerade nicht ein.
„Sie haben Recht, ich habe in der Hoffnung gespielt, dass jemand mich hört“.
Fieberhaft überlegte Ben, wann er so etwas geäußert haben konnte. Er war sicher, es nie gesagt oder auch nur gedacht zu haben. Und doch ergab es einen Sinn.
„Ja, vielleicht habe ich das vermutet“, gab Ben zu und blickte der Violinistin verlegen in die Augen. „Warum stehen Sie bei dieser Eiseskälte im Sommerkleid hier auf der Wiese?“
„Ich weiß überhaupt nicht, wie ich hierher gekommen bin“.
Louisa zitterte. Ben legte ihr seinen Mantel um die Schultern, was sich jetzt gerne gefallen ließ.
„Ist es so wärmer?“
Louisa nickte dankbar.
ONsüd-Bild: Pokojski
„Ich glaube, wir sollten an einen wärmeren Ort gehen“, schlug Ben vor, „am Parkeingang ist ein kleines Café. Was halten Sie von einem Tee zum Aufwärmen?“
„Ja, gerne“.
Schon bald darauf saßen die beiden im Café und erwärmten sich mit heißem Tee.
„Das tut gut“, stellte Louisa fest.
Ben grübelte, wie er mehr aus der Violinistin heraus bekommen konnte. In seinen Ohren hallte noch immer die traurige Melodie nach. Oder war es eher in seinem Herzen? Louisa lächelte jetzt. Wie schön, dachte Ben.
„Es geht Ihnen wohl besser, das freut mich“.
„Ja, es geht mir ausgesprochen gut, danke“,
„Ich fühle mich ebenfalls besser, hier ist es kuschelig warm“.
„Dann geht es uns also beiden gut“.
Louisa griff nach ihrer Violine. Wollte sie etwa hier im Café spielen? Und ob sie das tat. Allerdings spielte sie eine fröhliche Melodie. Den übrigen Gästen schien die Melodie zu gefallen. Alle klatschten begeistert. Einige begannen sogar zu tanzen.

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