Kapitel 20


Die Stunden bis zum Nachmittag vergingen schnell. Natascha konnte sich gerade mal zwei Stündchen hinlegen, um den versäumten Nachtschlaf nachzuholen, denn zum Segeln brauchte sie einen klaren Kopf. Sie hatte keine Lust, sich vor Hardenberg zu blamieren und ihn ins Wasser zu setzen. Der Wind war günstig, fand sie, als sie losfuhr. Sie nahm diesmal die U-Bahn und den Bus. Hardenberg stand schon am Steg des Bootsverleihes, als sie ankam. „Auf jeden Fall ist er pünktlich“ dachte sie noch, dann gingen sie in das kleine Holzhaus neben dem Steg. Es war nur noch eine große Jolle -ein Wandervogel -frei. Sie sprang zuerst ins Boot und Hardenberg folgte leicht und behende. „Ich vermute, Sie waren schon mal auf einem Boot!“ sagte sie. „Da vermuten Sie ganz richtig. Ich kann auch ein bisschen segeln.“ Er fand es blöd, so zu tun, als hätte er von Tuten und Blasen keine Ahnung. „Umso besser,“ sagte sie, „dann brauche ich Ihnen nicht jedes Mal Kommandos geben, wo Sie sich hinsetzen müssen, wenn wir drehen oder wenden.“ Er setzte sich auf die eine Seite, sie nahm die Pinne und langsam glitt das Boot aus der Anlegestelle heraus. „Es ist gut Wind hier!“ rief er gegen das Knattern der Segel an. „Ich setze noch das Vordersegel!“ rief sie, „Passen Sie auf! “ Geschickt entrollte sie auch dieses. Das Boot bekam noch mehr Fahrt und krängte ganz ordentlich in den Wind. „Sie segeln ganz schön schräg! “rief er noch. Doch das Boot legte sich immer mehr auf die Seite. Vor lauter Verwunderung begriff er einen Moment lang nicht, was geschah, doch dann schlug plötzlich der Hauptbaum um und traf Natascha mit Schwung am Kopf. Sie schrie auf, wankte und fiel ins Wasser. Sofort sprang Hardenberg hinterher. Natascha hatte Glück im Unglück. Sie war nicht bewusstlos geworden, so dass er ihren schmalen Körper problemlos umfassen und sie an die Wasseroberfläche ziehen konnte. Hustend strich sie sich das strähnig-nasse Haar aus dem Gesicht. Und… Gottseidank… Sie lachte. Lachte laut und schallend. Hardenberg hielt sich mit ihr an der mittlerweile ganz umgekippten Jolle fest und musste trotz seines Schreckens ebenfalls lachen. Ihr Lachen war zu ansteckend. „Du meine Güte! Meine größte Sorge war, mich bloß nicht vor Ihnen zu blamieren. Und genau das ist dann passiert! Ich bin noch nie im Wasser gelandet.“ „Aber einmal muss jeder Segler zur Taufe !“schloss Hardenberg mit ihr den Satz. Das Brummen des Motorboots der Rettungswacht vom Segelclub erstarb neben ihnen und man half ihnen an Deck. Man brachte sie an Land und gab ihnen Wolldecken zum Umhängen. In der Zwischenzeit fuhr das Motorboot wieder raus und holte das gekenterte Boot ein. Ein Sanitäter bot sich an, sie sofort nach Hause zu fahren und Natascha willigte ein, in Hardenbergs Hotel mitzufahren, um sich dort erst einmal frische trockene Kleidung zu holen, denn sein Hotel lag am nächsten. Aber kurz bevor sie abfuhren, kam noch einer von der Rettung ans Auto gelaufen und, zur Windschutzscheibe hereingebeugt, sagte er: „Da sind Sie nicht schuld dran! Am Boot war was kaputt! Damit wäre jeder gekentert!“

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