Kapitel 31


Sie machte gerade noch ein paar Trockenübungen mit den Fingern, da klopfte es erneut und Hardenberg bat sie in den Salon zu ihrem Auftritt.

Natascha kannte keine Aufregung und kein Lampenfieber. Zu oft war sie schon als Kind aufgetreten, als dass sie nicht genau wusste, dass sie sich felsenfest auf ihre Nervenruhe und ihre Finger verlassen konnte. Der Saal sah herrlich aus mit seinen Lichter-spielen, die jetzt gedimmt wurden, als sie sich verneigte und dann an den Flügel setzte. Es war ein Steinway, so wie der in Hamburg. Das ist eine nette Geste von ihm, dachte sie noch, bevor sie begann. Im Saal wurde es mucksmäuschenstill und sie selbst versank wie in Trance in die Musik, die ihre Finger hervorperlen ließen. Als sie nach drei Stücken ihr Programm beendet hatte, stand sie auf und gleichzeitig erhob sich frenetischer Beifall. Sie verbeugte sich dankend und einzelne der Gäste riefen Bravo. Sie dankte noch einmal, dann ging sie unter weiterem Beifall hinaus. Sie hatte ihre Arbeit getan und sie war zufrieden mit sich. Sie hatte gut gespielt, für ihr Honorar ihr Bestes gegeben. Im Flur hörte sie eilige Schritte hinter sich. Sie drehte sich nicht um. Sie wusste, wer es war. Als sie die Türklinke in der Hand hielt, stand er neben ihr. „Ich hoffe, ich habe Ihren Auftrag zu Ihrer Zufriedenheit ausgeführt, Herr Hardenberg!“ sagte sie. Er packte sie plötzlich an den Schultern und drehte sie zu sich herum. Seine Hände brannten auf ihrem nackten Fleisch. Sie versuchte, sie herunter zu nehmen, aber er ließ nicht locker. „Bitte hören Sie mir zu, Natascha Winter! Ich danke Ihnen für Ihr hervorragendes Spiel, aber ich habe noch eine Bitte.“ Sie sah den flehentlichen Ausdruck in seinen Augen und stand still. „Bitte, bleiben Sie bis morgen, Natascha! Seien Sie für diese Nacht mein Gast! Sie haben nichts zu befürchten, meine Frau ist auch da!“ fügte er hinzu, als er ihren ratlosen Blick sah. Hardenberg wusste nicht, dass es sein Blick aus seinen unwahrscheinlich blauen Augen selbst war, der Natascha schwach werden ließ. Sie willigte ein bis zum nächsten Mittag zu bleiben. Dann zog sie die Tür hinter sich zu. Hardenberg stand noch einen Moment davor, versucht noch einmal anzuklopfen, aber dann drehte er sich um und ging in den Salon zurück. Dort war im sinnbildlichen Sinne die Hölle los. Alle jungen Leute tanzten unter mehreren, sich drehenden Discokugeln und Laserlicht zu dem Gesang der Boygroup. Judith war mitten unter ihnen und er konnte ihr glückliches Lachen deutlich hören. Er blieb in der Nähe der Tür, um Natascha, falls sie zurückkäme, nicht zu verpassen. Er täuschte sich nicht. Sie kam, unkapriziös in Jeans und mit besticktem T-Shirt. Sie mischte sich unters Jungvolk und begann zu tanzen. Sie tanzte gut. Es dauerte auch nicht lange, da hatte ein junger Mann sie entdeckt und tanzte sie unverhohlen an.

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