Kapitel 39
Hardenberg lehnte am Balkon einer Suite in einem Athener Hotel, in dem er nun schon seit mehreren Jahren wohnte. Er war nach dem Tod seiner Familie in tiefste Melancholie und Schuldgefühle gefallen und folgte nur widerwillig dem Rat seines Arztes, sich eine lange Pause zu gönnen und Abstand auch im geographischen Sinne zu nehmen. Schließlich übergab Hardenberg seine Firma einem Stellvertreter. Die Yacht in Monaco hatte er sofort nach dem Tod seiner Familie verkauft. Schon acht Tage später hatte sie den Besitzer gewechselt. Er hatte sie nie mehr betreten, ebenso wenig wie er Monaco wiedersehen wollte. Allein war er nach Athen gekommen, hatte Ablenkung gesucht für seine Trauer. Der Lärm der Stadt mit ihren stetigen, Tag und Nacht erklingenden Autogeräuschen, dem Geschrei der Straßenverkäufer, dem Getrappel der vielen, vielen Menschenfüße, half ihm, seine Tragödie weniger zu spüren. Die erhabenen Tempel und Museen, die Berge ringsherum und das berühmte griechische Licht taten ein übriges. Es war eine Wohltat geworden, kein Personal mehr zu haben und keine Geschäfte mehr zu machen. Die einfache Suite war ihm vollends genug. Er brauchte keinen Reichtum mehr um sich. Ab und zu hin ging er in die Konzerte, die in der Stadt angeboten wurden. So auch an diesem Abend. Das Ehepaar neben seiner Suite hatte überstürzt abreisen müssen und hatte ihm eine Konzertkarte für den heutigen Abend überlassen. Ein Klavierabend würde in der wiederaufgebauten Stoa gegeben, hatten sie ihm noch gesagt, bevor sie weg mussten. Er konnte trotz der langen Zeit in Griechenland die Schrift auf den Karten immer noch nicht entziffern. Er hatte einen guten Anzug aus dem Schrank genommen, ging duschen und machte sich ausgehfertig. Der Abend war sehr warm, aber nicht schwül. Als er im Taxi saß, war er froh, dass er jetzt in einem Land lebte, wo die Menschen immer freundlich zu sein schienen und viel lachten.